Tobias Richter arbeitet als männliche Hebamme. Fotocredit: Thomas Oberländer | Helios Kliniken.

Arbeiten als männliche Hebamme

Tobias Richter über seinen Alltag im Kreißsaal

Wenn Du an eine Hebamme denkst, hast Du dann eine Frau oder einen Mann vor Augen? Wahrscheinlich geht es Dir wie der Mehrheit und Du hast automatisch eine weibliche Hebamme im Kopf. Das möchte Tobias Richter gerne ändern und setzt sich für mehr Diversität im Berufsbild ein. Er arbeitet als Hebamme im Krankenhaus und erzählt Dir im Interview, wie sein Alltag aussieht, ob manche Eltern überrascht sind, wenn eine männliche Hebamme den Raum betritt und was seine Wünsche für die Zukunft sind.

Lieber Tobias, Hebamme, Entbindungspfleger, Geburtshelfer – wie bezeichnest Du Deine Profession?

Ich bezeichne mich als Hebamme. Ich habe nämlich relativ schnell gemerkt, dass die meisten Menschen mit dem Begriff Entbindungspfleger nicht viel anfangen können. Und die Bezeichnung Geburtshelfer beziehungsweise Geburtshelferin meint tatsächlich die Gynäkologen und Gynäkologinnen. Seitdem ich Hebamme sage, wissen alle, meine Arbeit umfasst Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett.

Wir Hebammen sind halt Hebammen – egal, welches Geschlecht wir haben.

Männliche Hebammen gibt es nur sehr wenige in Deutschland – wie bist Du zu dem Beruf gekommen?

Durch meine Mutter, die fast 40 Jahre als Hebamme gearbeitet hat. Somit bin ich mit diesem Beruf groß geworden. Ich habe früh gelernt, was es bedeutet, im Schichtdienst zu arbeiten und vielleicht an Feiertagen wie Ostern und Weihnachten nicht frei zu haben. Natürlich habe ich auch früh lernen dürfen, welche große Verantwortung mit dem Beruf einhergeht.

Dann sah mein Weg so aus: Ich habe zunächst ein Praktikum in der Krankenpflege gemacht, was mir zwar Spaß gemacht hat, aber nicht hundertprozentig das war, was ich wollte. Bei einem Kreißsaalpratikum habe ich dann gemerkt, dass ist genau die Arbeit, die ich machen möchte.

Wie sieht Dein Alltag als Hebamme im Krankenhaus aus?

Ich arbeite hauptsächlich im Kreißsaal und bin dort für die Geburtsbetreuung und -begleitung zuständig bin. Das heißt: Ich kontrolliere den Geburtsverlauf, überwache die Herztöne des Kindes und die Vitalparameter von der Mutter. Alles in allem bin ich Ansprechpartner für die werdenden Eltern und Familien und einfach da für die Frauen und Paare. Ich biete ihnen meine Unterstützung an und zum Beispiel auch Massagen oder Entspannungsbadewannen.

Natürlich gehören auch administrative Aufgaben dazu, die leider sehr viel Hebammenarbeit einnehmen. Das frisst Zeit und Betreuungskapazität. Daher schauen wir, dass wir diese Arbeit ausgliedern können, um möglichst viel Zeit für die Frauen und Paare zu haben.

Was war die bisher schönste Erfahrung, die Du als Hebamme machen durftest?

Das ist schwer zu sagen, da ich bisher ganz viele schöne Erfahrungen machen durfte. Es sind einfach die Geburten, die Geburtshilfe und die Geburtsbegleitung an sich – es ist immer toll, wenn wir den Frauen helfen können, neues Leben auf die Welt zu bringen. Es ist für uns als Hebammen das Schönste, wenn es allen gut geht und wir glückliche Familien erleben.

Was war die größte Herausforderung bisher – egal, ob während der Ausbildungszeit oder im beruflichen Alltag?

Herausforderungen gibt es viele. Sowohl der Beruf als Hebamme als auch schon die Ausbildungszeit haben mich unglaublich als Person geprägt. Man hat sich ein dickes Fell zulegen müssen, um nicht so viel an sich rankommen zu lassen – das ist ganz wichtig.

Besonders herausfordernd sind immer anspruchsvolle Geburten, die viel Hebammenarbeit benötigen. Also geburtshilfliches Verständnis, viel Lagerung, viele Positionswechsel und vieles mehr. Wenn es aber dann zur Spontangeburt kommt und es allen gut geht, bestärkt mich das wieder, mich der Herausforderung gestellt zu haben.

Mit welchen Reaktionen begegnen Dir werdende Eltern, aber auch Kolleginnen und Kollegen?

Das ist ganz unterschiedlich. Es kann sein, dass es Eltern gibt, die eine männliche Hebamme ablehnen und dann schauen wir, ob es möglich ist, zu tauschen. Es gibt auch Kolleginnen/Kollegen, die sagen, Männer hätten in diesem Beruf nichts verloren – das sind aber zum Glück nicht viele.

Und sonst arbeite ich ganz normal wie jede andere Kollegin oder jeder andere Kollege. Ich mache meinen Job und möchte schlussendlich nur das Beste für Mutter und Kind.

Du bist aktiv auf Deinem Instagram Kanal und in den Medien und teilst so Einblicke in den Hebammenberuf und in die Besonderheiten, die Dir als männliche Hebamme widerfahren – welche Botschaft liegt Dir dabei besonders am Herzen?

Für mich ist es ganz wichtig, dass wir die Diversität der Hebammen nach außen hin abbilden und dass Eltern und Paare wissen, wie wir arbeiten. Ich finde, wir können nicht sagen, wir haben zu wenige Hebammen oder zu wenige junge Leute, die in diesem Berufsfeld arbeiten wollen, wenn wir nicht unseren Beruf für alle Personen und Geschlechter öffnen.

Zudem liegt mir am Herzen, dass wir die Arbeitsbedingungen verbessern und dass wir alle berufspolitisch aktiv werden und an einem Strang ziehen. Damit können wir erreichen, zukünftig wieder mehr Hebammen in den Kreißsälen zu haben, ebenso wie Hebammen, die außerklinische Geburten anbieten.

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Was glaubst Du braucht es, um den Beruf der Hebamme für mehr Männer attraktiver zu machen? Beziehungsweise: Warum glaubst Du, arbeiten so wenige Männer als Hebamme?

Wie gerade schon gesagt, glaube ich, dass der Beruf offener für alle Geschlechter gestaltet werden muss. Ich möchte Männer nicht dazu drängen, als Hebamme zu arbeiten. Aber jeden, der sich diesen Beruf vorstellen kann, möchte ich ermutigen, sich einfach zu trauen, ein Praktikum zu machen und sich so unser schönes Berufsbild anzuschauen. Danach kann er oder sie entscheiden, ob die Tätigkeit als Hebamme etwas für ihn oder sie ist.

Ein weiterer Grund kann die enorm hohe Verantwortung sein, die wir haben. Dessen muss man sich bewusst sein und vielleicht schreckt das den einen oder die andere ab.

Was wünschst Du Dir für die Zukunft?

Ich wünsche mir für die Zukunft, dass wir Hebammen deutlich mehr gesehen werden. Außerdem sind bessere Arbeitsbedingungen in den Kliniken und auch in der außerklinischen Geburtshilfe sowie bei der Schwangeren- und Wochenbettbetreuung Wünsche von mir. Dazu gehört auch eine bessere finanzielle Vergütung. Und zu guter Letzt darf der Wunsch nach weiterhin schönen Geburten natürlich nicht fehlen.

Wie erholst Du Dich am liebsten von einem stressigen Arbeitstag? Was hilft Dir, von der Arbeit abzuschalten?

Ich habe für mich persönlich meine Methoden gefunden, die mich nach der Arbeit runterbringen. Mir hilft es, einfach mal raus an die frische Luft zu gehen und eine Runde zu spazieren, mich mit Kolleginnen und Kollegen, Familie oder Freunden zu treffen und mich um meine Haustiere zu kümmern – so kann ich mich gut erholen.

Was möchtest Du werdenden Eltern mit auf den Weg geben? Was sind Deine Tipps?

Macht euch nicht so viele Gedanken beziehungsweise habt keine Angst vor dem, was auf euch zukommt. Die Angst vor dem Neuen und Ungewissen spielt oft eine große Rolle. Das ist auf der einen Seite natürlich verständlich, aber auf der anderen Seite kann Angst auch blockieren - Angst darf aber nicht zur großen Blockade werden.

Etwas, das diese Angst vergrößern und zu Verunsicherungen führen kann, sind zu viele und vor allem falsche Informationen. Daher möchte ich Eltern raten, nicht zu viel zu lesen und nicht zu viel im Internet zu recherchieren. Denn vieles, was sich im Netz findet, ist schlichtweg falsch.

Und so blöd es klingt: Man wird in Elternrolle hineingeboren. Dabei ist es vollkommen normal, auch Fehler zu machen – daraus wird man lernen und so ist das Leben. Werdende Eltern sollten versuchen, so gut es geht entspannt in die kommende Zeit zu blicken, die selbstverständlich sehr aufregend wird. Wichtig ist, sich nicht zusätzlich Stress zu machen und sich auch keinen Stress von Außenstehenden machen zu lassen. Wir als Hebammen versuchen während der ganzen Zeit soweit es geht zu betreuen, begleiten und zu unterstützen. Natürlich können wir nicht alles abnehmen, das ist auch gar nicht unser Ziel, wir wollen einfach für die Eltern da sein und bei Fragen, Problemen und Sorgen weiterhelfen.

Lieben Dank für Deine Antworten und den Einblick in Dein Leben als Hebamme, Tobias. Wir hoffen, wir konnten Dir damit zeigen, wie bunt der Beruf der Hebamme ist. Wie der Alltag als Hebamme für Sissi Rasche aussieht, kannst Du in unserem Interview „Traumberuf Hebamme“ lesen.

Häufig gestellte Fragen

In Deutschland wurden Männer bis zur Reform des Hebammengesetzes Ende 2019 als Entbindungspfleger bezeichnet. Heutzutage gilt die Berufsbezeichnung „Hebamme“ jedoch für alle Geschlechter.

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