Kinderärztin Ariane beantwortet die wichtigsten Fragen rund um die Bildschirmzeit für Babys und Kleinkinder

Mediennutzung von Kleinkindern: Worauf soll ich achten?

LILLYDOO Kinderärztin Ariane beantwortet die wichtigsten Fragen rund um die Bildschirmzeit für Babys und Kleinkinder

Sobald Du ein Baby bekommst, kommen in Deinem Leben ganz neue Fragen auf und plötzlich beschäftigen Dich Themen, an die Du vorher niemals gedacht hättest. Das ist eine tolle, spannende Zeit, aber wir verstehen auch, wenn Dir irgendwann der Kopf brummt! Wir bei LILLYDOO glauben, dass Du sicher die richtigen Entscheidungen für Dich und Deinen kleinen Entdecker treffen wirst. Aber auch, dass es nicht schaden kann, Dir hin und wieder Rat von Menschen zu holen, die sich täglich mit diesen Fragen beschäftigen und Fachleute auf ihrem Gebiet sind. Deshalb möchten wir in dieser Artikelreihe Expertinnen und Experten die Fragen rund um Schwangerschaft, Geburt und Elternsein stellen, die uns allen durch den Kopf gehen.

Als relativ neues Phänomen, das viele Eltern in den letzten Jahren zunehmend beschäftigt, gehört dazu auch die Bildschirmzeit vor Fernseher, Tablet und Co. In diesem Artikel beantwortet LILLYDOO Kinderärztin Ariane, wie die Bildschirmnutzung die kindliche Entwicklung beeinflusst und ob bestimmte Medien sogar einen positiven Einfluss haben können. Außerdem verrät sie ihre ganz persönlichen Tipps.

Welchen Einfluss hat Zeit vor dem Bildschirm auf die Entwicklung meines Kindes?

Die Bildschirmzeit hat einen enormen Einfluss auf die kindliche Entwicklung. Es gibt Studien, die belegen, dass beispielsweise schon eine tägliche Bildschirmzeit von 30 Minuten das Risiko für eine Sprachentwicklungsstörung um ein Vielfaches erhöht, insbesondere im frühen Kleinkindalter von zwei bis fünf Jahren. Noch jüngere Kinder zeigen zusätzlich bereits ab einer Bildschirmzeit von 20 bis 30 Minuten Schlafstörungen. Bereits nach einer Stunde Medienkonsum am Tag erhöht sich das Fettleibigkeitsrisiko um 13 Prozent. Bei älteren Kindern und Jugendlichen zeigt sich ein linearer Zusammenhang von Bildschirmzeit und Konzentrationsstörungen sowie Angst- und depressiven Verhaltensstörungen. Wir wissen auch, dass die Grundsteine für spätere krankhafte Mediennutzung oft schon durch eine exzessive Bildschirmnutzung in den frühen Kindheitsjahren gelegt werden. Einzelne digitale Medien haben zwar auch positive Auswirkungen, schneiden aber im Vergleich zu analogen Lernmethoden schlechter ab. Ein positiver Effekt digitaler Medien ist für Kinder unter 18 Monaten deshalb nicht nachweisbar.

Welche Fähigkeiten sind notwendig, damit mein Kind Medien nutzen kann?

Fachleute sind sich einig, dass eine gewisse Basis der Sprachentwicklung vorhanden sein muss, damit digitale Medien überhaupt gezielt genutzt werden können – im Umkehrschluss heißt das, dass in den ersten 18 Lebensmonaten keinerlei Medien genutzt werden sollten. Darüber hinaus sind Grundmerkmale der emotional-sozialen Entwicklung notwendig, damit Kleinkinder über ein Grundverständnis von Gesten, Mimik und Kommunikationsregeln verfügen und diese im Rahmen der Mediennutzung erkennen und einordnen können.

Das empfiehlt die BZgA (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung)

Die BZgA hat 2020 die folgenden Empfehlungen zur täglichen Mediennutzung von Kindern gegeben:


Für wie alltagstauglich hältst Du die Empfehlungen der BZgA (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung)?

Die Richtlinie halte ich für durchaus gesundheitsförderlich. Ob alle Empfehlungen auch tatsächlich alltagstauglich sind, entscheiden sowohl Eltern als auch äußere Umstände. Ich würde die Richtlinie mit der Obst-und-Gemüse-Regel (5-mal Obst oder Gemüse am Tag) vergleichen: Schöne Idee, aber auch ich schaffe es nicht immer.
Wichtig sind bestimmte Grundregeln, dazu gehören 1. das Alter des Kindes zu beachten und 2. feste Regeln aufzustellen. Außerdem würde ich Mamas und Papas raten, sich nicht von anderen Eltern verunsichern zu lassen, die vermeintlich „lockerer“ sind. Der einfache Weg ist nicht immer der beste.

Orientierung im Alltag

Welche Leitlinien empfiehlst Du Eltern zur Orientierung?

Ich orientiere mich gerne an der „3-6-9-12-Regel“: Bildschirm-Medien nicht unter 3 Jahren, keine eigene Spielkonsole unter 6 Jahren, kein eigenes Smartphone unter 9 Jahren, keine unbeaufsichtigte Computer- bzw. Internetnutzung unter 12 Jahren. Ganz besonders auf den Verzicht aller Medien bis zu einem Alter von 18 Monaten weise ich eindrücklich hin. Dazu gehört auch das Ansehen kurzer Videos als Ablenkung bei Zähneputzen und Co., das häufig nicht als Medienzeit wahrgenommen wird. Bitte liebe Eltern, lasst solche Ablenkungsmanöver, nehmt lieber das Lieblingsspielzeug zur Hand und werdet kreativ!

Können bestimmte Medien, bewusst eingesetzt, sogar einen positiven Effekt haben?

Gerne werden die Vorteile von digitalen Medien von Herstellern verschiedener Kinder-Computer, Spielkonsolen und natürlich von Lern-Apps hervorgehoben. Ganz klar ist aber, dass ein positiver Effekt von Lernprogrammen unter 24 Monaten nicht wissenschaftlich belegt ist. Bei älteren Kindern stellen einzelne Programme eine sinnvolle Ergänzung dar, sie sind aber in den seltensten Fällen dem analogen Lernen überlegen. Insbesondere bei Sprach-Apps zeigen verlässliche Daten, dass eine frühkindliche Fremdsprache nicht digital erlernt werden kann.

Eine wichtige Ausnahme sind Kinder mit einer nachgewiesenen Entwicklungsverzögerung oder Handicaps. Im therapeutischen Umfeld gibt es viele sinnvolle Programme, die Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung unterstützen und in Teilbereichen gezielt fördern. Umso wichtiger ist aber auch hier die Trennung von privater und schulischer Nutzung und das Einhalten von bildschirmfreien Zeiten mit viel Bewegung an der frischen Luft. Hinzu kommt, dass gerade Kinder mit einer Entwicklungsverzögerung besonders in ihrem Medienkonsum begleitet werden müssen. Ein offenes Gespräch und Aufklärung der Familien mit Kindern mit einer Entwicklungsverzögerung oder seelischen Störung ist wichtig, um hier Belastungen frühzeitig zu erkennen und eine Hilfestellung anbieten zu können.

Wie können Eltern ihre Kinder bei der Mediennutzung am besten begleiten?

Eltern sollten mit ihren Kindern klare Regeln festlegen und diese auch regelmäßig kontrollieren. Bereits in frühen Jahren erleben wir häufig eine gewisse Hilflosigkeit der Eltern in Bezug auf stringente Regeln und das Durchsetzen der anfänglichen Vereinbarungen. Das ist einerseits ganz natürlich: Die eigenen Bedürfnisse der Eltern nach kurzer Freiheit für die alltäglichen Dinge wie Kochen, Haushalt, Telefonate konkurrieren mit den Normen und bekannten Empfehlungen für Kinder. Hier gilt es stark zu sein, auch, wenn man natürlich nicht immer alles richtig machen kann. Trotzdem rate ich Eltern, sich immer wieder selbst zu reflektieren und das Gespräch mit ihren Kindern zu suchen, insbesondere im jugendlichen Alter. Bei kleinen Kindern sollte der Medienkonsum besonders zu Beginn begleitet und zusammen erlebt werden. Das ermöglicht eine direkte Kommunikation über den Inhalt und gemeinsame Emotionen. Das erlaubt, einen Film auch mal länger gemeinsam zu schauen – oder ihn aber früher abzubrechen, wenn man als Elternteil merkt, dass der Inhalt nicht angemessen ist. Unbegleiteter Medienkonsum sollte so lange wie möglich vermieden werden und frühestens ab einem Alter von 6 Jahren stattfinden.

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Vorbildfunktion

Welche Rolle spielen mein eigener Medienkonsum und meine Vorbildfunktion?

Hier gilt ganz klar: Ein starker Medienkonsum der Eltern zieht einen gesteigerten Konsum der Kinder nach sich. Umso wichtiger ist es, sich als Mama oder Papa dieser Vorbildfunktion bewusst zu sein und den eigenen Medienkonsum gegebenenfalls zu reduzieren, insbesondere in Anwesenheit der Kinder.

Darf ich Fernsehschauen oder am Handy sein, wenn mein Baby noch sehr klein ist, zum Beispiel beim Stillen oder schadet ihm das?

Bitte nicht! Unabhängig von der Strahlenbelastung, die von jedem elektrischen Gerät ausgeht, ist das wichtigste Gegenargument, dass die Aufmerksamkeit dabei nicht ungeteilt beim Säugling ist. Dies ist aber besonders im ersten Lebensjahr und natürlich auch im Kleinkindalter immens wichtig, damit das Baby die Basis der menschlichen Kommunikation und das sogenannte Urvertrauen entwickeln kann. Deshalb rate ich, auch wenn die beste Freundin oder die Mama gerade Rat brauchen: Handy zur Seite und später antworten!

Wie ist Deine eigene Erfahrung und welchen persönlichen Tipp würdest Du anderen Eltern geben?

Gerade am Anfang ist man non-stop mit seinem Baby beschäftigt und fragt sich am Abend oft, was man eigentlich den ganzen Tag gemacht hat – an Medienkonsum ist da vermutlich sowieso kaum zu denken. Das verändert sich etwa ab dem ersten Geburtstag langsam. Ich persönlich habe bei meiner Tochter auf alle „eigenen“ elektrischen Geräte verzichtet, bis sie etwa vier oder fünf Jahre alt war. In ihren ersten Jahren habe ich den Fokus auf klassische Spiele gelegt und an spontanen Spielideen hat es nie gemangelt. Die erste Sendung, die sie sehen durfte, war ganz klassisch das Sandmännchen – zunächst nur häppchenweise, mit vier oder fünf Jahren dann die komplette Sendung. Mittlerweile kennt meine Tochter auch das ganz Teenager-typische Repertoire an Filmen und Serien, aber nie im Marathon-Modus. Eine Spielkonsole oder ähnliches hatten wir nie, das hat sie auch immer gut akzeptiert.
Für mich als Mutter eines Teenagers wird der Bereich Social Media in den nächsten Jahren sicher noch eine große Rolle spielen.

Gibt es bestimmte Medieninhalte, die Du für Kleinkinder empfehlen kannst? Worauf sollten Eltern bei der Auswahl achten?

Auch hier muss noch einmal betont werden: Kein vermeintlich noch so akademischer medialer Inhalt ist wertvoller als die analoge Vermittlung, insbesondere, wenn dabei im Kleinkindalter die Bildschirmzeit von 30 Minuten überschritten wird. Wichtig ist, dass auch Medienkonsum mit Lernziel im Kleinkindalter von den Eltern begleitet wird. Durch die interaktive Kommunikation wird jeder Inhalt automatisch verbessert und für die Kleinen verständlicher. Generell empfehlen sich animierte Filme weniger, da reale Szenen für Kleinkinder besser verständlich sind. Auch inhaltlich sind realitätsnahe Filme mit einfachen Fantasieinhalten besser geeignet. Nicht umsonst begeistern Astrid Lindgren-Filme wie Pippi Langstrumpf und Michel aus Lönneberga Generationen von Kindern. Wenn überhaupt Spiele auf dem Tablet, dann sind assoziative Spiele mit räumlichem Denken oder später Lern-Apps, zum Beispiel rund um die Naturwissenschaften wie Chemie und Physik sinnvoll. Damit gelingt es sicherlich auch mal Anreize für Bereiche zu schaffen, die für die Kinder sonst nicht unbedingt interessant wären.

Vielen Dank an Ariane für den Einblick, den sie uns zum Einfluss von Mediennutzung auf die kindliche Entwicklung gegeben hat, für ihre Empfehlungen und persönlichen Erfahrungen. Was sicher viele Eltern beruhigt: Niemand ist perfekt und trotz aller guten Vorsätze sind Medien aus unserem Alltag – und dem von Kindern – nicht mehr wegzudenken. Natürlich bist Du keine schlechte Mutter/kein schlechter Vater, wenn Dein dreijähriges Kind mal ein YouTube Video schaut, damit Du in Ruhe duschen kannst – im Gegenteil, die meisten Eltern können wohl bestätigen, wie dankbar sie sind, dass ihnen Tablet und Co. hin und wieder eine wohlverdiente Mini-Auszeit ermöglichen. ;)

Dennoch ist es wichtig, dass Du Dir Deine Vorbildfunktion als Mama oder Papa immer wieder bewusst machst und Deinem Kind verschiedene Anreize zum Spiel und zur Bewegung bietest, die nichts mit Bildschirmen zu tun haben. Und mal ganz ehrlich: Wenn Du gemeinsam mit Deinem kleinen Entdecker ein Bilderbuch durchblätterst oder ihr beim Spielen gemeinsam in Fantasiewelten abtaucht, können Handy, Tablet und Co. ohne Probleme auch mal links liegen bleiben.

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